DIE FRAUENBERATUNGSSTELLE DER AWO STELLTE JETZT IHREN JAHRESBERICHT VOR. IMMER MEHR FRAUEN SUCHEN HILFE.

KREIS HÖXTER-BAD DRIBURG (WB)Mit dem Grundanliegen, dass jede Frau ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen können sollte, bietet die in Trägerschaft des AWO-Kreisverbandes Höxter geführte Frauenberatungsstelle im gesamten Kreis Beratung und Unterstützung an.

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Beraten und unterstützt werden betroffene und bedrohte Frauen und ihre Helfer zu Themen wie Partnergewalt, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Stalking, digitale Gewalt, Zwangsheirat und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz von der Beratungsstelle in Bad Driburg.

Das Thema häusliche Gewalt sei Hauptthema, warum Frauen die Beratungsstelle aufsuchten, erklärten jetzt die anwesenden Mitarbeiterinnen, bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2021/22, bei dem auch Sabine Heikenfeld, die Vorstandsvorsitzende des AWO Kreisverbandes Höxter sowie Dr. Elisabeth Klemme vom Zonta Club Höxter anwesend waren. Häusliche Gewalt bezeichnet nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch Verletzungen der Seele, der Gesundheit und der Freiheit . Tritte, Schläge, sowie Erniedrigungen, Drohungen, Kontaktverbote, bewusste Isolation, Kontrolle der Finanzen und Erzwingen sexueller Handlungen sind nur einige Beispiele für Gewalt, denen Frauen im häuslichen Umfeld ausgesetzt sein können.

Dabei handele es sich nicht immer ausschließlich um den Ehemann oder Partner. Neben aufbauenden Gesprächen unterstützen die Beraterinnen auch Wege aus der Gewaltspirale zu erarbeiten, zeigen Möglichkeiten der Existenzsicherung auf, begleiten bei Bedarf zur Polizei oder Rechtsanwälten und helfen bei Ämtergängen und Anträgen.

Hilfe zur Selbsthilfe Thema seinen oftmals auch gesundheitliche Probleme der Hilfe suchenden Frauen, die sich unter anderem im Laufe der Jahre eingestellt hätten und häufig Ausdruck der psychischen Überforderung und Hilflosigkeit seien. Grundsatz der Beratungsarbeit ist für die Mitarbeiter die Hilfe zur Selbsthilfe in ein eigenständiges Leben ohne Gewalt, Unterdrückung und Bevormundung.

Gewalt gegen Frauen sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches heute immer noch häufig im Verborgenen bliebe. Während der Corona-Krise führten die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens zu beengten Lebensumständen und finanziellen Sorgen. Mehr Ängste und Stress Fehlende Kinderbetreuung und wenig Rückzugsmöglichkeiten führten zu mehr Ängsten und Stresssituationen innerhalb der Familien. Fehlende Kontakte und wenig soziale Kontrolle durch Schule, Kindertagesstätte, Arbeit oder Verwandte konnten außerdem dazu führen, dass potenzielle Opfer häuslicher Gewalt seltener Unterstützung suchten, so die AWO-Beraterinnen.

Dennoch war in der Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen ein Anstieg des Hilfegesuchs von Frauen zu erkennen. Im Jahr 2021 blieb die Anzahl der zu beratenen Frauen überwiegend mit insgesamt 126 Betroffenen im Vergleich zum Vorjahr auf einem Niveau.

Auffällig sei jedoch, dass die Anzahl und Intensität der Beratungen um 40 Prozent angestiegen sei. Frauen bräuchten vermehrt Gespräche und eine intensivere Unterstützung bei einzelnen Schritten. Dies ließe sich wahrscheinlich damit begründen, dass durch (Teil-)Schließungen der Zugang zu Ämtern unter anderem erschwert wurden.

2022 hingegen blieben die Beratungszahlen zwar annähernd konstant, dafür war eine Zunahme von 19 Prozent der Hilfesuchenden zu verzeichnen. Betroffene berichteten seit Beginn der Pandemie von einer hohen Gereiztheit des Partners.

In den vergangenen Jahren suchten vermehrt Frauen mittleren Alters (26 bis 40 Jahre) die Beratungsstelle auf.

Ältere suchen doppelt so viel Hilfe Auffällig sei die Anzahl der Frauen über 60 Jahre, die sich im Jahr 2022 fast verdoppelt habe. Vermutlich entwickelte auch diese Generation durch die vermehrte Medienpräsenz ein größeres Bewusstsein dafür, dass sie die erlebte Gewalt und Unterdrückung nicht mehr weiter hinnehmen müsse.

Obwohl überwiegend Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft Unterstützung suchten, finden auch immer häufiger Frauen anderer Staatsangehörigkeiten den Weg in die Beratungsstelle. Gut 50 Prozent der Frauen lebten zum Zeitpunkt der Erstberatung mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt, ob mit oder ohne Partner.

Finanziert wird die Beratungsstelle durch Landeszuschüsse und Fördermittel des Kreises Höxter, des ZontaClubs Höxter sowie durch Eigenmittel des AWO-Kreisverbandes. Die Beraterinnen wiesen zusätzlich auf Angebot des Frauen- und Kinderschutzhauses des Kreises Höxter hin, welches rund um die Uhr unter der Nummer 0171/5430155 zu erreichen sei.

Das kostenlose bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist 24 Stunden am Tag unter der Nummer 08000 116 016 oder online erreichbar und berät in 18 verschiedenen Sprachen. Mittlerweile gibt es ebenfalls ein bundesweites Hilfetelefon „Gewalt an Männer“. Dieses erreicht man unter 08001239900 oder ebenfalls online per Chatberatung.

Telefonische Erreichbarkeit der Beraterinnen von montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 12.30 Uhr unter 0160/937930 -30 oder -35, sowie per SIGNAL-Messenger und per EMail unter frauenberatungsstelle@awo-hoexter.de. Termine nach Absprache. Standorte: Höxter: AWO Familienstützpunkt, Gartenstraße 7; Bad Driburg: AWO Geschäftsstelle, Caspar-Heinrich-Str. 15; Steinheim: AWO Familienstützpunkt, Pyrmonter Str. 8; Peckelsheim: Rathaus Peckelsheim, Abdinghofweg 1.

Die AWO-Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen stellt ihren Jahresbericht vor. Unter anderem suchen immer mehr Frauen über 60 Hilfe.
„Das gesellschaftliche Klima verändert sich“

Gewalt an Frauen

Neue Westfälische vom 27.04.23 Burkhard Battran

Bad Driburg. Der Anteil der Frauen über 60, die bei der Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Hilfe suchen, ist um 50 Prozent gestiegen. Jetzt hat die kreisweite Beratungsstelle der AWO gegen Gewalt an Frauen ihren Jahresbericht vorgestellt. „Die Dunkelziffer ist natürlich noch immer extrem hoch. Aber wir vermuten, dass etwa ein Drittel der betroffenen Frauen Kontakt mit uns aufnehmen“, sagt die AWO-Vorstandsvorsitzende Sabine Heikenfeld.

Beratungsbedarf

Im Jahr 2022 ist die Anzahl der hilfesuchenden Frauen um 19 Prozent auf 149 angestiegen. „Auffällig ist jedoch, dass seit der Corona-Pandemie die Anzahl der Beratungsgespräche um 40 Prozent gestiegen ist“, sagt Heikenfeld. In 2020 wurden noch 126 Frauen mit 382 Gesprächen begleitet. In 2021 war die Zahl der Beratungsfälle mit 125 praktisch konstant, es wurden jedoch mit 531 Kontakten erheblich mehr Gespräche geführt. 2022 ist die Anzahl der Ratsuchenden auf 149 leicht gestiegen, die Beratungsintensität auf 466 leicht zurückgegangen. „Man kann aber festhalten, dass sich der Beratungsbedarf auf einem höheren Niveau verstetigt“, betont Heikenfeld.

Phänomen

Ein neues Phänomen bei der Beratungsstelle ist, dass die Anzahl älterer Frauen, die Hilfe suchen, ansteigt. Waren es in 2021 noch neun Frauen, sind es im vergangenen Jahr schon 16 gewesen, die sich an die Beratungsstelle wandten. „Hier bewegt sich etwas in der Gesellschaft. Auch die ältere Generation entwickelt ein Bewusstsein dafür, dass Frauen, die ihr Leben bisher als normal Begriffen haben, nun erkennen, dass sie die erlebte Gewalt und Unterdrückung eben nicht als Normalität hinnehmen müssen“, sagt Zonta-Präsidentin Elisabeth Klemm.

Zonta-Club

Der Zonta-Club Kreis Höxter hat sich politisch dafür engagiert, dass diese Beratungsstelle 2015 überhaupt geschaffen werden konnte. Jährlich unterstützt der Zonta-Club die Beratungsstelle mit 4.000 Euro. 85 Prozent der Personalkosten werden vom Land getragen sowie ein Teil der Betriebskosten. Die fehlenden 15 Prozent werden durch Haushaltsmittel des Kreises sowie durch Spenden gedeckt. Zudem bringt der AWO-Kreisverband auch einen Eigenanteil ein.

Beratungsstelle

Die Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen hat ihren Sitz im AWO-Zentrum in Bad Driburg. Sie ist mit einer Vollzeitstelle besetzt, die sich auf zwei Mitarbeiterinnen verteilt. Diese sind kreisweit tätig. „Hilfesuchende Frauen müssen nicht nach Bad Driburg kommen, sondern wir suchen sie meist an einem wohnortnahen Treffpunkt auf“, sagt Heikenfeld. Meist sind das die verschiedenen über den Kreis Höxter verteilten AWO-Standorte in Höxter, Bad Driburg, Peckelsheim und Steinheim.

Erreichbarkeit

„Das gesellschaftliche Klima verändert sich, das Aggressionspotenzial steigt, aber auch das Bewusstsein, sich gegen Gewalt zur Wehr zu setzen“, sagt Zonta-Präsidentin Klemm. Die AWO-Beratungsstelle spürt das steigende Aggressionspotenzial sogar ganz konkret. Vorsitzende Heikenfeld: „Um unserer Beraterinnen vor Übergriffen zu schützen, machen wir sie weder namentlich noch bildlich öffentlich.“

Zu erreichen ist die kreisweite AWO-Beratungsstelle montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 12.30 Uhr unter Tel. 0160 93793030 oder Tel. 0160 93793035 sowie unter denselben Nummern auch über den Messengerdienst Signal und E-Mail an: frauenberatungsstelle@awo-hoexter.de