Franz Müntefering präsentiert in Beverungen ein Rezept für gesundes Altern

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Der einstige SPD-Vizekanzler gibt Tipps und mahnt

Neue Westfälische vom 13.05.2019 – Manuela Puls

Eine echte Politik-Größe hat in Beverungen vor etwa 50 Zuhörern über Seniorenfragen gesprochen. Die Arbeiterwohlfahrt im Kreis Höxter (AWO) hatte Franz Müntefering als Redner gewinnen können, denn sie feiert in diesem Jahr den 100. Geburtstag des SPD-Wohlfahrtsverbandes. Der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende, Bundesminister und Vize-Kanzler engagiert sich heute als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO).

Müntefering erinnerte kurz an die Gründung der AWO nach dem 1. Weltkrieg auf Vorschlag der Frauenrechtlerin Marie Juchacz, die eine der ersten weiblichen Abgeordneten im Reichstag war. „Helfen, dass anderen Menschen geholfen wird – das ist die großartige Idee, die dahintersteht”, sagte der 79-Jährige im Saal Bever der Stadthalle. Dann kam er zu seinem eigentlichen Thema – der wachsenden Bedeutung der Senioren. „Die Menschen leben heute länger, und das relativ gesund”, so Müntefering.

Fit halten gegen die Sturzgefahr

Eines der größten Risiken für ältere Menschen sei die Sturzgefahr. 8.800 schwere Stürze seien 2017 in Deutschland gezählt worden, meist waren dabei über 80-Jährige betroffen. „Dabei kommen doppelt so viele Menschen ums Leben wie im Straßenverkehr”, betonte der Sauerländer. Häufig würden Ältere nach einem Sturz bettlägerig und hätten es schwer, wieder auf die Beine zu kommen. Deswegen tue Prophylaxe not. „Man muss den Körper so fit wie möglich halten und Hindernisse in der Wohnung aus dem Weg räumen”, so Müntefering. Zu schmale Türen, durch die kein Rollator passt, Teppiche als Stolperfallen oder das „halsbrecherische” Klettern in die Badewanne nannte er als Beispiele.

Wie sich Senioren fit halten können, dafür hat Franz Müntefering ein einfaches Rezept: die drei „L” – Laufen, Lernen und Lachen. Mit Laufen meint der ehemalige Politiker Sport aller Art. Ausruhen sei für Senioren die falsche Devise. Es helfe wenig, sich in den Liegestuhl zu legen und Gesundheitspillen zu schlucken. Dann lasse auch die geistige Fitness schneller nach. „Die Bewegung der Beine ernährt das Gehirn”, erklärte Müntefering. Am besten sei es, gemeinsam mit anderen Senioren Sport zu treiben. Dabei entstünden Bekanntschaften, die wiederum ein gutes Mittel gegen Einsamkeit im Alter seien.

Körper und Geist fit halten

Ältere Menschen lebten schließlich immer häufiger allein. „Enge soziale Kontakte können einem das Heim ersparen”, brachte es Müntefering auf den Punkt. Deswegen hat er zum Beispiel die Initiative „Auf Rädern zum Essen” auf den Weg gebracht. „Lasst Euch das Essen nicht bringen, geht hin”, sagte Müntefering. So treffen sich bereits in 100 Städten in Deutschland Senioren zum gemeinsamen Mittagessen, statt allein zu Hause zu speisen.

Auch Lernen bleibe für Senioren wichtig. „Neugierig bleiben, offen für Neues sein, dann sind die Plaques im Gehirn überwindbar”, sagte Müntefering. Schließlich sei die Demenz ein großes Problem, das auf die Gesellschaft zukomme. Ebenso wie die Finanzierung der Renten. „Wir bekommen etwa doppelt solange Rente, wie es 1965 der Fall war”, so der Sauerländer. Und immer weniger Erwerbstätige müssten die wachsende Schar der Rentner unterhalten. Da müsse zunehmend der Staat einspringen. Deswegen plädiert Müntefering für eine stärkere Besteuerung von Vermögen oder Erbschaften. Darüber hinaus müssten Pflegekräfte besser bezahlt werden und sich endlich gewerkschaftlich organisieren.

 Information

Die Arbeiterwohlfahrt im Kreis Höxter

Im Kreis Höxter gibt es die Anfänge der Arbeiterwohlfahrt seit den 60er Jahren, als Verein ist die AWO seit den 80ern eingetragen. „Inzwischen sind wir in allen zehn Städten vertreten”, betont Kreisverbands-Vorstand Wolfgang Kuckuk. Der Verein habe im Kreis Höxter circa 400 Mitglieder und beschäftige über 200 hauptamtliche Mitarbeiter. Als Beispiele nennt er das Kleiderlager in Peckelsheim, die Seniorenpflege in Bad Driburg, die Frauenberatungsstelle und die Familien- und Jugendhilfe (Schulsozialarbeit und Hilfe zur Erziehung). Der 100. Geburtstag der AWO wurde bereits mit einem Neujahresempfang in Höxter begangen. Im Juli soll es in Brakel noch ein großes Kinderfest zum 20-Jährigen Bestehen des Miniclubs geben.